Upcycling, Reparieren und Kreislaufwirtschaft sind keine Modeerscheinungen//

#03/21

Die besten Seiten des Mülls

Collage. Junge Frau in Sportpullover. Im Hintergrund Wellen in Schwarz-Weiß.
 

Hallo Jaana,

unsere Gedanken und Herzen sind in diesen Tagen in der Ukraine. Der Krieg ist eine furchtbare Tragödie, der viele Menschen in Not bringt und zur Flucht zwingt. Wir sagen deshalb natürlich und voller Überzeugung: #StandWithUkraine

Was diese Situation uns gleichzeitig vor Augen führt, ist aber auch, dass Nachhaltigkeit und Klimaschutz wichtig sind – das gilt für alle Bereiche. Nur gemeinsam können wir den großen „Stoffwechsel" schaffen. Das ist auch bei der Berlin Fashion Week angekommen, die diesen Monat vom 14. bis 20. März stattfindet. Die Veranstalter:innen haben ein White Paper mit neuen Nachhaltigkeitsrichtlinien für die Messeteilnehmenden erarbeitet, einen Greenwashing-Check eingeführt und kleine Berliner Upcycling-Labels gestärkt, die in Workshops und Installationen zeigen, wie sie fair, ökologisch und zirkulär produzieren. Was sonst noch diesen Monat passiert, zeigt der TrenntRadar:

 

A-Ware or not Aware – das ist hier die Frage

Manchmal fühlt sich Lisa Prantner wie in einer Welle aus Textilien, wenn sie wieder hunderte von Retouren und Überhängen in ihrem Atelier „Become A-Ware“ zu hochwertigen Modekollektionen umarbeitet. Schon seit Jahren engagiert sich die Berliner Modedesignerin dafür, dass die Überproduktionen der Modebranche bewusst – und vor allem weniger – werden. Zur Fashion Week zeigt sie in ihrem Atelier auch für Nicht-Messe-Besucher die wellenförmige Installation „In der Flut der Kleider“ sowie ihre neue Unterwäsche-Kollektion aus alten Band-T-Shirts. Berliner:innen können an einem Tauschständer ein eigenes ungeliebtes Retourenstück gegen ein anderes eintauschen. Außerdem gibt es am 17. März einen Drop-in-Upcycling-Workshop, bei dem zum Beispiel Jogginghosen aufgewertet werden können.
www.become-a-ware.com
 
Mehr Hot Stoff
 
Foto: Ella Haas, Edit: Lisa Prantner

Sattelfeste Argumente

„Es kann doch nicht sein, dass so viele Teile vom Fahrrad einfach kaputtgehen, abfallen, weggeschmissen werden“, haben uns Max und Benner bei einem Werkstatt- und Atelier-Besuch bei ihnen im Haus der Materialisierung (HdM) gesagt. Gut zu wissen – denn nach dem stürmischen Winter brauchen viele Fahrräder ein bisschen Frühlings-Pflege. Die beiden Schrauber helfen dienstags und mittwochs zwischen 15 und 19 Uhr mit Wissen, Ersatzteilen und Werkzeug dabei, Fahrräder, Anhänger oder Lastenräder zu reparieren oder neu aufzubauen. Was sich nirgends mehr anschrauben lässt, verwandeln sie in Schmuck oder Kunst. Fahrradreparatur-Workshops finden jeden zweiten und vierten Donnerstag im Monat statt (mit Voranmeldung).
www.hausdermaterialisierung.org
 
Rundgang durch das HdM
 
Foto: FahrArt

3 Fragen an Isabel Ott vom World Trash Center

Im World Trash Center, das seinen Sitz im Berliner Wohn- und Feierquartier Holzmarkt 25 hat, werden Müll, Kunst und Hedonismus auf viele Arten miteinander vereint. In dem Atelier und Reallabor werden die Überreste des Überkonsums in Workshops und Kunstwerken neu inszeniert. Es entstehen beispielsweise aus Festivalüberbleibseln wie Schlafsäcken oder Zelten szenekompatible Bauchtaschen. Die künstlerischen Müllskulpturen „Wasted Creatures“ werden gerade im Ritter Butzke, einem Techno-Club in Berlin-Kreuzberg, ausgestellt und das Team bereitet einen Auftritt auf dem Planet Trash Floor des Meeresrauschenfestivals vor. Kann man den Müll feiern?

Name: Isabel Ott, Alter: 54, Wohnort: Berlin
Beruf: CEO des World Trash Centers
Der beste DIY-Rat, der mir je gegeben wurde: Auch wenn dir jemand einen Rat gibt – mach die Erfahrung selbst.
Meistgenutztes Upcycling-Werkzeug: scharfes Messer mit Spitze
Aus einer Wasserflasche mache ich: eine Lampe
Größter unvernünftiger, aber unverzichtbarer Luxus: exotische Früchte
Diesen Berliner Ort besuche ich regelmäßig: Holzmarkt
Wieso braucht es ein World Trash Center?
Unsere Konsumspuren verteilen sich überall in der Welt. Uns ist das nicht bewusst, weil immer schön alles für uns weggeräumt wird und wir es dann nicht mehr sehen. Und wenn es am anderen Ende der Welt am Strand wieder auftaucht, haben wir den Bezug dazu verloren. Müll ist außerdem ein großes Geschäft, es wird Handel damit betrieben, wir fahren unseren Müll auf den Weltmeeren hin und her. Wie absurd ist das denn bitte? Wir sollten eine große, weltweite Gemeinschaft bilden, um das zu unterbinden.

Ihr baut Monumente aus Müll wie den Tütan oder die Schrottskulptur „Kristell Mess“, um die Maßlosigkeit des Berliner Konsumierens anzuprangern. Muss sich die Feierkultur mehr mit Nachhaltigkeit beschäftigen?
Die Partyveranstalter sind mittlerweile sehr kreativ und konsequent, weil sie ihre schönen Orte erhalten möchten, und lassen sich viel einfallen. Das eigentliche Problem ist der Partykonsument, der glaubt, dass er mit dem Eintrittsgeld auch dafür bezahlt hat, dass ihm jemand seinen Müll hinterherräumt. Die Mühe der Veranstalter:innen wird so mit Füßen getreten. Ich bin oft sprachlos und traurig, wie der Holzmarkt nach einem Wochenende aussieht.

Wie motiviert ihr zum Umdenken?
Menschen auf ihr „Fehlverhalten“ direkt anzusprechen, ist eine Gratwanderung. Im World Trash Center wollen wir nicht den Zeigefinger erheben, sondern mit Humor auf die Müllmassen hinweisen. Es sollte Spaß machen, die Welt zu verändern – und ganz nebenbei zu einer Gemeinschaft zusammenzuwachsen.
www.worldtrashcenter.de
 
Mehr Überreste findest du hier
 
Foto: ©Maximiliane Wittek
 

Abfallfreitagstipp:
Pfand drauf!

Seit diesem Jahr gibt es erweiterte Pfand-Regelungen. Endlich wird Pfand auf fast alle Kunststoff-Einwegflaschen erhoben, auch Saftflaschen müssen nun bepfandet sein. Für Getränkedosen gibt es auch fast keine Ausnahmen mehr.

Unser Tipp: Auch wenn jetzt noch mehr Flaschen im Pfandsystem sind, empfehlen wir euch immer Mehrwegflaschen vor Einwegflaschen. Die mehrmalige Wiederverwendung ist immer noch besser als das Recycling der Einwegflaschen. Trotzdem freuen wir uns, dass sich hier was getan hat. Pfand drauf!

Besuche auch den Instagram-Kanal der BSR für weitere Tipps.