21. November 2018 | Ausgabe 16

Was bleibt

Vier Jahre lang sammelte der Fotograf Antoine Repessé in seiner Wohnung Müll, um ihn dann für sein Projekt „#365 Unpacked“ zu fotografieren. Was aus den Fenstern des Hauses quillt, stellt nur 30 Prozent des gesammelten Mülls dar.

Straßenansicht mit Häuserfront: Aus dem Fenster des mittleren Hauses quellen mehrere Müllsäcke auf die Straße und bauen sich dort zu einem Müllberg auf.
Aus der Wohnung in die Mülltonnen und dann in den Mülllaster – so schnell verschwinden ­die Reste unseres Lebens. Und was wir nicht mehr mit den Augen sehen, verschwindet aus unserem Bewusstsein. „Ich wollte das ändern“, sagt der Fotograf Antoine Repessé. „Uns wird oft erzählt, dass wir zu viel Müll produzieren. Aber ich glaube, dass wir es erst mithilfe von Bildern wirklich verstehen.“
Vor einer verschlossenen Garage steht eine Mülltonne, die vor Müll überquillt. Drumherum liegt Müll verteilt. Aus der Tonne ragen die wedelnden Beine einer kopfüber in der Tonne steckenden Frau.

Von 2011 bis 2015 sammelte der Fotograf in seiner Wohnung im nordfran­zösischen Lille verschiedene Sorten von recycelfähigem Müll: Dosen, Plastik- und Glasflaschen, Toilettenpapierrollen und Verpackungen. Er bewahrte nicht nur seinen eigenen Abfall auf. Auch Freunde brachten einiges dazu. In einem Jahr stapelte er beispielsweise 1.400 Milchpackungen – das ist so viel, wie er allein in 55 Jahren gebraucht hätte. „Das Ziel war, damit Bilder zu erschaffen, die schockieren und damit vielleicht auch dazu motivieren, unsere Konsumgewohnheiten zu verändern“, sagt Repessé. Am Ende war seine gesamte Wohnung von dem Projekt „#365 Unpacked“ eingenommen. Etwa 70 Prozent seiner Wohnfläche waren voller Müll. Mit den folgenden Bildern zeigt und kommentiert Repessé, wie es ist, im Müll regelrecht zu ersticken.

In seinem Wohnzimmer mit Kamin voller tausender ordentlich gestapelter Zeitschriften, Magazinen und Zeitungen, sitz ein Mann in seinem Sessel und liest lächelnd eine Zeitung.

„Am Ende sah es in der Wohnung wirklich chaotisch aus, aber sie hat nicht gestunken! Ich habe alles ordentlich sauber gemacht. Verpackungen mit Essensresten habe ich nicht aufgehoben.”

In einer Garage sitzt ein Mann rauchend in seinem Auto. Die Scheinwerfer strahlen in die Kamera. Im Auto und um das Auto herum stapeln sich tausende leerer Zigarettenschachteln.

„Der Müll in meiner Wohnung hat mich zwar gestört, aber das System, in dem wir leben, stört mich mehr. Wir müssen unseren ganzen Lifestyle in Frage stellen: Was wir essen, was wir anziehen, wie wir uns bewegen.”

Eine junge Frau in Sportkleidung trinkt eine Flasche Wasser, neben ihr ein Warenkorb mit einem riesigen überquellenden Berg an leeren Plastikflaschen. Um sie herum ein altes Gebäude mit mehreren Etagen, welches sich die Natur zurückerobert hat.

„Wir benehmen uns so, als ob Erdöl eine ewige Ressource wäre. Genauso verwenden wir Plastik¬verpackungen weiter, als ob es keine Auswirkung auf unsere Umwelt hätte.”

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